Mittwoch, 2. Juni 2010

Rollstuhl bitte an der Garderobe abgeben!

Kulturgenuss mit Hürden

In den letzten Jahren wurde das Wiener Veranstaltungsgesetz und das Veranstaltungsstättengesetz für RollstuhlfahrerInnen zwar verbessert. Der Weg zum vergnüglichen Kunstgenuss kann sich dennoch als wenig erfreulich erweisen. Die ersten Hürden stellen sich manchmal schon beim Kauf der Eintrittskarte. Kornelia Götzinger ist Expertin für bauliche Barrieren, kritische Stadtbenutzerin im Rollstuhl und Kulturliebhaberin. So manche ihrer Erfahrungen im kulturellen Alltag lassen sich in die Rubrik "Absurdes Theater" einordnen.

Der Ticket-Marathon
Jazzfest Wien. Die ersten Veranstaltungsplakate sind zu sehen. Ich finde ein detailliertes Programm mit den Adressen aller Vorverkaufsstellen und freue mich auf einige Konzerte. Um Karten zu erstehen, fahre ich zur Verkaufsstelle neben der Staatsoper, von der ich weiß, dass sie stufenlos erreichbar ist. An der Kasse verlange ich je eine Rollstuhlkarte für drei Konzerte. Die Dame an der Kasse erklärt mir, dass sie keine Rollstuhlkarten verkaufen könne. Wo ich die Karten bekomme, kann sie mir nicht sagen. Ziemlich frustriert ziehe ich von dannen.

Einige Tage später starte ich einen neuen Versuch und steuere die barrierefreie Verkaufsstelle im Museumsquartier an. Dort erklären mir die Mitarbeiter sehr nett und gleichzeitig tröstend, dass sie keine Rollstuhlkarten in ihrem Sortiment haben. Es gäbe zwar welche, doch müsse ich mich direkt an den Veranstalter wenden. Sie drücken mir einen Zettel mit der Internetadresse in die Hand. Auf der Website des Veranstalters finde ich eine Email-Adresse, an die ich sogleich eine Anfrage schicke, wohin ich fahren muss, um zu den gewünschten Rollstuhlkarten zu kommen. Als Antwort wird mir mitgeteilt, ich möge mich doch bitte an das Kartenbüro im 9. Bezirk wenden. Gesagt, getan. Vorsorglich reserviere ich dort gleich die Karten per Email. Im Rückmail erfahre ich, dass die Karten persönlich sobald wie möglich abzuholen sind, ansonsten werden sie an andere RollstuhlfahrerInnen weitergegeben.

Also fahre ich am nächsten Tag zum Kartenbüro und traue meinen Augen nicht. Der Eingang hat eine Stufe! Ich bin kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Da ich keine Passanten sehe, die mir über die Stufe helfen könnten, zücke ich mein Handy und rufe im Kartenbüro an. Zum Glück habe ich die Telefonnummer dabei. Ein Mitarbeiter kommt heraus. Er ist zwar mit mir, meinem Rollstuhl und der Stufe etwas überfordert, aber irgendwie schaffen wir es dann doch ins Verkaufslokal. Über den Hausflur wäre ich ohne Stufen ins Kartenbüro gelangt, wird mir gesagt. Ein super Tipp, der leider aber gar nichts nützt, wenn beim Geschäftseingang kein entsprechender Hinweis hängt. Nachdem ich die Karten eingesteckt habe, frage ich noch, wie viele Rollstuhlkarten schon verkauft wurden. "Sie sind die erste", lautet die Antwort. Und auch die einzige, wie sich bei den Konzerten dann herausstellte. Das wundert mich nicht.

Autorin: Kornelia Götzinger
entnommen dem Buch: Mainual - barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit

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