Die Presse Dienstag, 12. Juni 2012 - DIEPRESSE.COM - Gesundheit - Seite 25
Wie Angehörige zum eigenen und zum Wohle des Betroffenen am besten damit umgehen, beschreiben zwei Bücher. VON GERTA NIEBAUER
"Das war nicht mehr der liebevolle Partner"
Die
Diagnose Demenz erhielt
ich sieben Jahre vor dem Tod meines Mannes.
Ich kannte die Krankheit nicht ... Ich machte viele Fehler, ich konnte sein Tun nicht verstehen. Das war nicht mehr mein Mann, er war nicht mehr der liebevolle Partner, der Freund und fürsorgliche Kamerad ... u Das schreibt Hella Klein in dem Buch ,,10 nach 10, Montessori für Demenzkranke".
Vorhandene Fähigkeiten fördern
Die Düsseldorferin holte sich damals schnell Informationen über die Krankheit und suchte nach alternativen Therapiemöglichkeiten, um ihrem demenzkranken Mann wieder ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Hella Klein entdeckte die Montessori-Methode - und ist heute Montessori-Pädagogin und -Therapeutin für Senioren.
Die Düsseldorferin holte sich damals schnell Informationen über die Krankheit und suchte nach alternativen Therapiemöglichkeiten, um ihrem demenzkranken Mann wieder ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Hella Klein entdeckte die Montessori-Methode - und ist heute Montessori-Pädagogin und -Therapeutin für Senioren.
Die Demenzerkrankung ihres Mannes war für sie Anlass, diese Methode auf die Arbeit mit Demenzkranken zu übertragen.Maria Montessori war eine italienische Ärztin, die an einer Nervenklinik arbeitete und auch die sich selbst überlassenen Kinder des Pflegepersonals betreute. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie eine spezielle Therapieform, die auch den Umgang mit Demenzkranken erleichtert. Dazu zählt vor allem genaue Beobachtung des Betroffenen, um noch vorhandene Fähigkeiten zu fördern und Freude am eigenen Tun wieder zu erwecken.
Einfache
Übungen, die 'aus
dem Alltag gegriffen sind, sollen die Reaktionsfähigkeit. das Gedächtnis und die Geschicklichkeit der Finger anregen. "Die Hände sind
das Werkzeug der Intelligenz", sagte Maria Montessori.
Bunte Bilder regen
spielerisch die Tätigkeit mit Sand, Körnern oder Muscheln an, Geschicklichkeit
wird mit Schüttübungen gefördert, etwa das Einschenken einer Tasse Kaffee. Auch verschiedene Memory-Spiele werden angeboten.
"Alle Beschäftigungen sollen dem Demenzkranken Freude machen und seine Selbstständigkeit erhalten", meint.Hella Klein.
"Alle Beschäftigungen sollen dem Demenzkranken Freude machen und seine Selbstständigkeit erhalten", meint.Hella Klein.
,,10
nach 10, Montessori für Demenzkranke, ein Buch für Angehörige, Freunde und Betreuer", Renate Götz Verlag, 172 Seiten,
19,90 €.
Folgen der Demenz lindern .
In Österreich leben derzeit rund
100.000 demenzkranke Menschen, wobei die Dunkelziffer noch höher geschätzt
wird. Bis zum Jahr 2050 ist mit 240.000 Erkrankten zu rechnen. "So
dramatisch sich dieses Krankheitsbild auf den Alltag der Betroffenen und ihrer
Angehörigen auswirkt, so kann doch viel getan werden, um die Folgen der Demenz
zu lindern", heißt es in einem anderem Buch, im Ratgeber "Demenzgerechte Pflege und Betreuung". Die Autoren
Rudolf Öhlinger,
Remo Schneider und Günter Dorfmeister sind Experten auf dem Gebiet der
Pflegewissenschaft und des Managements der Sene-Cura-Gruppe
(Kliniken und Heime mit speziellen Demenzstationen).
Gesundheitsminister
Alois Stöger bezeichnet das Buch in einem Vorwort als "praxisorientierten
und übersichtlichen Leitfaden für das Personal in Pflegeeinrichtungen und für
pflegende Angehörige“. Demenz ist zwar gegenwärtig mit Medikamenten nicht
heilbar, aber einige Wirkstoffe können den Verlauf verlangsamen. Die Autoren empfehlen
etwa Ginkgo biloba zur besseren Durchblutung des Gehirns und antioxidative
Substanzen wie Vitamin E. Mit reaktivierender Pflege sollen Selbstständigkeit
im Alltag und positives Selbstwertgefühl gefördert werden. Es werden dafür
zahlreiche Möglichkeiten aufgezählt, wie
Physiotherapie, Psycho- oder
Musiktherapie.
Über Vergangenes reden
Auch Biografie-Arbeit, das Sprechen über vergangene Erlebnisse, kann helfen, "letzte
Erinnerungsinseln zu bewahren". Darüber hinaus
werden auch Ratschläge zur Linderung körperlicher Beschwerden gegeben, wie
Ernährungsprobleme oder Inkontinenz. Ein umfangreiches Kapitel ist den Aufgaben der Angehörigen, Bekannten und Freunde gewidmet, um deren Belastung
zu erleichtern. Eine Liste von Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und
Informationen über Pflegeeinrichtungen sowie Qualitätskriterien für die Unterbringung
in einem Heim findet sich im Anhang des Buches.
„Demenzgerechte
Pflege und Betreuung. Pflege und Betreuung, Kommunikation, Lebensraumgestaltung", Neuer
Wissenschaftlicher Verlag, 190 Seiten, 29,80 €.
Doch:
Jedes Vergessen muss nicht gleich
Demenz sein. Mitunter steckt eine Depression dahinter - mit ähnlichen Symptomen
wie die einer Demenz, etwa Gedächtnislücken, Störungen der Urteilsfähigkeit,
des Denkvermögens, des Sozialverhaltens bis zur Aggression.
Etwa
30 Prozent der Patienten, die wegen einer Demenz an eine Gedächtnisambulanz
kommen, leiden auch an depressiven Störungen. "Das Gefühl, sich nichts
mehr merken zu können, wird durch die negative Erwartungshaltung der Depression
verstärkt. Das lenkt von der Diagnose ab", sagt Peter Fischer vom
Sozialmedizinischen Zentrum Ost in Wien.
Ein
wichtiger Unterschied zwischen Demenz und Depression sei die
Orientierungsfähigkeit. Depressive können in der Regel Datum, Uhrzeit und Ort
richtig angeben, während Demente dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Abklärung
durch den Neurologen oder Psychiater ist daher besonders wichtig, denn danach muß
sich die Therapie richten.
Auf einen Blick
Mindestens 100.000
demenzkranke Menschen gibt es derzeit in Österreich, bis zum Jahr 2050 ist mit
240.000 Erkrankten zu rechnen.
Der Umgang mit
dementen Menschen ist für angehörige nicht immer leicht – zwei Bücher wollen
dabei helfen. Ganz wichtig ist es dabei, Demenzkranke in ihrer Welt abzuholen
und nicht ihnen die eigene Welt aufzwingen zu wollen. Sie haben keinen Zugang
mehr dazu, das macht ihnen nur Angst.
Wichtig ist es
auch, noch vorhandene Fähigkeiten der Kranken zu fördern und die Freude am
eigenen tun wieder zu wecken.
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