Dieser Beitrag wurde über das Projekt "Frausein - barrierefrei" geschrieben, bei dem ich mitgearbeitet habe und den ich wert finde, ihn öffentlich zu machen:
"Frau sein ohne Barrieren" heißt ein Förderprojekt für Frauen mit Behinderungen der Firma Online Schulungs- und Beratungsges.mbH, das im Februar startete und im Dezember 2003 seinen Abschluss finden wird. In Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und dem Arbeitsmarktservice soll eine Sensibilisierung für die Vielzahl von sichtbaren und unsichtbaren Barrieren erreicht werden, die es den Frauen verunmöglichen, an Aus- und Fortbildungsprogrammen teilzunehmen und einen ihren Qualifikationen und Behinderungen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
Auftakt der Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung für die Hürden im Alltag war eine bundesweite Befragung von 800 Frauen mit Behinderungen, die über ihre Berufs- und Lebenssituationen Auskunft gaben. Dabei kamen bauliche Barrieren, wie Stufen, fehlende oder zu schmale Lifte, nicht vorhandenen Behindertentoiletten ebenso zur Sprache wie nicht vorhandenes Lehrmaterial in Blindenschrift oder fehlende GebärdensprachdolmetscherInnen für Gehörlose.
Projektmitarbeiterin und Behindertenbeauftragte der Uni Wien, Kornelia Götzinger, stellt fest, dass 75 % der befragten Frauen in der Stadt berufstätig sind. "Städtische Strukturen sind für Frauen mit Behinderungen wesentlich förderlicher als ländliche Strukturen, wo die eigene Mobilität oft nicht so vorhanden ist.", so Götzinger. Über die Lebenssituation der befragten Frauen gibt sie Auskunft, dass mehr als die Hälfte alleine leben, ein Drittel mit Partner oder Ehemann, wobei ein Großteil dieser Frauen auch ein bis zwei Kinder hat.
Die Ergebnisse der Umfrage werden am Ende des Projekts in ein Handbuch einfließen, dass eine Art Leitfaden für behindertengerechte Arbeitsplätze und Strukturen im Ausbildungsbereich bereitstellen wird und auf Mängel wie Handlungsmöglichkeiten hinweist. Material dafür werden auch die verschiedenen Round Tables liefern, die regelmäßig in Wien und in den Bundesländern veranstaltet werden und auf denen gemeinsam diskutiert und beraten wird.
Einen Teil der Maßnahmen des Projekts unter der Leitung von Mag.a. Monika Haider umfasst auch Vernetzungs- und Aufklärungsarbeit zwischen wirtschaftlichen, arbeitsmarktrelevanten und Bildungseinrichtungen. "Viele Bildungseinrichtungen wissen nicht einmal, ob sie barrierefrei zugänglich sind", berichtet Götzinger. Besonders hingewiesen wird im Projekt auf den Genderaspekt der Problematik: Das unterschiedliche Einkommensniveau zwischen Männern und Frauen schlägt sich in Lebensqualität und Lebensplanung nieder, adäquate Teilzeitjobs für Frauen ab der Pflegegeldstufe 6 oder 7 seien nicht vorhanden. Von der beruflichen Integration Behinderter würden hauptsächlich Männer den Nutzen ziehen, so ist im Budget der Förderprogramme des Sozialministeriums 57% für Männer und 43% für Frauen vorgesehen.
Denn prinzipiell sei eine Person mit Behinderung ohne Arbeitsmarktassistenz nicht mehr vermittelbar. Betriebe sind ab bzw. pro 25 MitabeiterInnen verpflichtet, einen "geschützen Arbietsplatz" zur Verfügung zu stellen. Von der Struktur her seinen aber die Erfahrungen, dass es leichter ist, eine Person mit Behinderung in einer Betriebsgröße von unter 25 Beschäftigten zu installieren. Am österreichischen Sozialsystem kritisiert Kornelia Götzinger, dass zu wenig flexibel nur "Arbeit oder Pensionierung" vorgesehen sei. Wer die "Arbeitsunfähigkeitspension" in Anspruch nimmt, darf nicht arbeiten und umgekehrt. Wenn eine Frau etwa nach einem Unfall querschnittsgelähmt ist, dann kann sie entweder in Pension gehen oder muß eine 40 Stunden Arbeit annehmen, da der Aufwand an Lebenskosten mit einer 20-Stunden Arbeit nicht bewältigbar ist. "Querschnittgelähmte können aber von der Abstrengung her keine 40 Stunden arbeiten." so Götzinger. Vorbild ist für die Projektmitarbeiterin die Regelung in Dänemark: Dort nämlich bekommt jede behinderte Person den Rest auf die gesetzlich vorgeschriebene Vollzeitbeschäftigung vom Staat ersetzt.
Text: Petra Hübl 12.9.2003
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