Behinderte: "Studium als Privatvergnügen"
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Hintergrund
Einer von 100
Studierenden ist "behindert" - von einer
körperlichen Beeinträchtigung und von der Universität.
körperlichen Beeinträchtigung und von der Universität.
Wenn sie in der Vorlesung tratschen, stört kein Tuscheln. Auch nicht, wenn
sie die Gleichung an der Tafel nochmal besprechen. Und wenn sie sich
zwischendurch einen Witz erzählen, verrät nur das Amüsement auf ihren
Gesichtern die Qualität der Pointe. Katrin Neudolt und Alexander Karla
studieren im zweiten Semester an der Technischen Universität Wien (TU).
Zufällig sind sie auch gehörbehindert.
sie die Gleichung an der Tafel nochmal besprechen. Und wenn sie sich
zwischendurch einen Witz erzählen, verrät nur das Amüsement auf ihren
Gesichtern die Qualität der Pointe. Katrin Neudolt und Alexander Karla
studieren im zweiten Semester an der Technischen Universität Wien (TU).
Zufällig sind sie auch gehörbehindert.
Im Proseminar Mathematik-Übungen geht es um Folgen.
Gebärdensprachdolmetscherin Patricia Brück übersetzt, wann der Limes
gegen unendlich geht, und wann gegen null. Und dass "das Verhalten
der Glieder von allen in der Folge reproduziert wird". Dann deutet sie
grinsend, dass die Schuhe eines Kollegen, der eben zur Tafel schreitet,
furchtbar laut quietschen.
Gebärdensprachdolmetscherin Patricia Brück übersetzt, wann der Limes
gegen unendlich geht, und wann gegen null. Und dass "das Verhalten
der Glieder von allen in der Folge reproduziert wird". Dann deutet sie
grinsend, dass die Schuhe eines Kollegen, der eben zur Tafel schreitet,
furchtbar laut quietschen.
Weil Katrin und Alexander die Augen
fürs Zuhören brauchen,
sorgt eine von der TU finanzierte Tutorin für eine zusätzliche Mitschrift.
sorgt eine von der TU finanzierte Tutorin für eine zusätzliche Mitschrift.
44.000 Euro
Was nach eitel Wonne aussieht, trügt. Denn die Dolmetschkosten belaufen
sich auf rund 22.000 Euro im Semester. Die öffentlichen Förderungen aber
liegen weit darunter. So bekommt Katrin, Niederösterreicherin, 660 Euro im
Monat. Alexander wiederum, Wiener, kriegt vom Fonds soziales Wien 5300
Euro für zwölf Monate - ein Bruchteil der 44.000 Euro, die für ein Uni-Jahr
vonnöten wären.
sich auf rund 22.000 Euro im Semester. Die öffentlichen Förderungen aber
liegen weit darunter. So bekommt Katrin, Niederösterreicherin, 660 Euro im
Monat. Alexander wiederum, Wiener, kriegt vom Fonds soziales Wien 5300
Euro für zwölf Monate - ein Bruchteil der 44.000 Euro, die für ein Uni-Jahr
vonnöten wären.
Auch wenn es tonlos ist, wirkt Alexander laut, wenn er seinen Unmut deponiert.
"Das Studium wird nicht als Ausbildung, sondern als Privatvergnügen betrachtet."
Tatsächlich fallen Gelder für eine höhere Ausbildung nicht in die Verantwortung
des Bundessozialamtes, es finanziert die Ausbildung nur bis zur mittleren Reife.
Das Studium wird so zum Minderheitenprogramm für besser Situierte.
"Das Studium wird nicht als Ausbildung, sondern als Privatvergnügen betrachtet."
Tatsächlich fallen Gelder für eine höhere Ausbildung nicht in die Verantwortung
des Bundessozialamtes, es finanziert die Ausbildung nur bis zur mittleren Reife.
Das Studium wird so zum Minderheitenprogramm für besser Situierte.
Der Geldmangel bedeutet auch eine massive Belastung für die Dolmetscher.
Normalerweise müsste ein zweistündiger Kurs doppelt besetzt sein, sodass sich
die Übersetzenden abwechseln können. Für die Studenten ist das nicht finanzierbar.
Normalerweise müsste ein zweistündiger Kurs doppelt besetzt sein, sodass sich
die Übersetzenden abwechseln können. Für die Studenten ist das nicht finanzierbar.
"Doppelbelastung"
"Das Studium ist für uns eine Doppelbelastung", sagt Alexander. "Es bräuchte eine
Servicestelle, sodass wir uns auf die Inhalte des Studiums und nicht auf seine Organi-
sation konzentrieren können." Deshalb habe er sich bei der Audimax-Besetzung im
Herbst in einer Arbeitsgruppe engagiert. Katrin unterstreicht, dass oft schon Kleinig-
keiten vieles besser machen würden: "Dass Skripten rechtzeitig da sind. Zur
Vorbereitung für uns und für die Dolmetscher."
Servicestelle, sodass wir uns auf die Inhalte des Studiums und nicht auf seine Organi-
sation konzentrieren können." Deshalb habe er sich bei der Audimax-Besetzung im
Herbst in einer Arbeitsgruppe engagiert. Katrin unterstreicht, dass oft schon Kleinig-
keiten vieles besser machen würden: "Dass Skripten rechtzeitig da sind. Zur
Vorbereitung für uns und für die Dolmetscher."
An der TU gibt es eine Beauftragte für Studierende mit Behinderung, Marlene
Fuhrmann-Ehn. "Was fehlt, ist der Konsens in der Gesellschaft, dass Menschen
Rechte haben", sagt sie. In den vergangenen Jahren habe sich zwar "vieles verbessert.
Aber was bringt das einem Studierenden, der vor einer Barriere steht?"
Fuhrmann-Ehn. "Was fehlt, ist der Konsens in der Gesellschaft, dass Menschen
Rechte haben", sagt sie. In den vergangenen Jahren habe sich zwar "vieles verbessert.
Aber was bringt das einem Studierenden, der vor einer Barriere steht?"
Dass es jemanden wie Fuhrmann-Ehn gibt, ist nicht selbstverständlich. Ob ein
Behindertenbeauftragter eingesetzt wird, und wie viel er mitgestalten darf, ist jeder Uni
freigestellt. Andreas Jeitler, Obmann von der Uniability (siehe Artikel im Hintergrund)
vermisst eine verpflichtende Regelung: "Ob Studierende mit Behinderung unterstützt
werden, hängt derzeit vom Engagement Einzelner an den Unis ab." Viele junge
Menschen wählen ihr Studienfach dann nicht nach Talent oder Interesse, sondern
nach den Bedingungen, die sie an der jeweiligen Uni erwarten.
Behindertenbeauftragter eingesetzt wird, und wie viel er mitgestalten darf, ist jeder Uni
freigestellt. Andreas Jeitler, Obmann von der Uniability (siehe Artikel im Hintergrund)
vermisst eine verpflichtende Regelung: "Ob Studierende mit Behinderung unterstützt
werden, hängt derzeit vom Engagement Einzelner an den Unis ab." Viele junge
Menschen wählen ihr Studienfach dann nicht nach Talent oder Interesse, sondern
nach den Bedingungen, die sie an der jeweiligen Uni erwarten.
Statistik: Jeder Hundertste "behindert"
"behindert" (Studiensozialerhebung 2006), das entspricht etwa 1710 Personen. 0,4 % sind in der Mobilität beeinträchtigt, 0,9% in Sehen, Sprechen oder Hören, 1,6 % psychisch beeinträchtigt. Mit 3,6 Prozent gab es 2005 die meisten Studierenden mit Behinderung an der Veterinärmedizin. An 14 der insgesamt 37 Hochschulen in Österreich gab es keine Studierenden mit Behinderung.
Artikel vom 06.03.2010 15:18 I KURIER I Iga Niznik.
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